Dr. Sylvia Lorenz, Grafik: Katharina Schardt
Stelle dir vor, oder suche dir einen für dich guten Platz, an dem du eine Viertelstunde ganz ruhig sitzen kannst und dich nur auf dich konzentrierst. Am Fenster mit Blick in den Garten, auf einer alten Bank unter einem Apfelbaum, in einer Kirche mitten in der
Fußgängerzone einer Großstadt, im … Und nimm wahr, was es wahrzunehmen gibt… für die Augen, für die Ohren, für die Hände, für die Nase… Vielleicht kommt dir auch eine Melodie in den Sinn, die du mitsummen kannst. Welche Gedanken kommen dir dabei? Lass sie kommen und gehen. Vielleicht bist du jetzt in der richtigen Stimmung, um über einige Fragen nachzudenken: Was ist mein Platz in der Welt? Was kann nur ich – auf die mir eigene Art und Weise – in dieser Welt tun? Was kann nur ich so verwirklichen? Große Fragen, vielleicht gehe ich da in kleinen Schritten heran. Beispielsweise mit folgenden Fragen, die ich auf einem bunten Blatt Papier beantworte:
- Was schätze ich an mir? Wo gibt es etwas, das mir leicht fällt, was ich spielerisch lerne und tue? Also ein echtes Talent von mir ist.
- Wo springen mich Themen an, was interessiert mich so sehr, dass ich darüber in Büchern, im Internet völlig die Zeit vergesse, wenn ich recherchiere?
- Was hat mir eine Person einmal ehrlich rückgemeldet, was sie an mir beeindruckt – was mir selber vielleicht gar nicht aufgefallen ist, da ich es für selbstverständlich halte? Wo hat jemand etwas anders gehandelt, da er mich und meine Einstellung kennt – wo habe ich also eine Wirkung erzeugt?
Schönstatt 1×1
All das sind Spuren, die mir zeigen können, wo mein Platz in dieser Welt ist. In der schönstättischen Spiritualität sprechen wir vom sogenannten „Persönlichen Ideal“. Dabei geht es um das Finden und das wörtliche Formulieren der eigenen Identität (also
dem Bild, was ich selber von mir habe). Die Blickrichtung geht dabei nicht zuerst von mir aus, im Sinne eines „was will ich?“, sondern mehr von der Blickrichtung Gottes her, „was will Gott von mir, was ist sein Plan mit mir?“. Dieses „Persönliches Ideal“ ist der Gedanke, den Gott in mich hineingelegt hat und was von ganz tief innen nach außen drängt und sich verwirklichen will. Das kommt also nicht von außen, sondern von innen. Ganz im Sinne des biblischen Wortes aus Jesaja 43,1: „… so spricht der HERR, … ich habe dich beim Namen gerufen, …“
Pater Josef Kentenich sagt dazu „Gott hat die Natur geschaffen, und hat der Seele durch die ihr gegebenen Anlagen seinen Willen gleichsam eingeschaffen. Er hat das, was er mit mir vorhat, grundgelegt in meiner Seele. Wenn ich also aus den Grundlagen meiner Seele und ihrer Richtung mein Ziel erkenne, ist dieses erkannte Ziel keine willkürliche subjektive Konstruktion, sondern objektiv, weil Gottes Wille.“
„Gott … drückt seine einzelnen Wünsche … auch aus durch originelle Anlage und Wertempfänglichkeit des einzelnen Menschen. Wenn er mir eine so geartete … Wertempfänglichkeit gegeben hat, dann hat er damit selber auch die Werte vorausbestimmt, die in mir zur stärkeren Entfaltung gebracht werden können und sollen. Gott hat also mit der Wertempfänglichkeit mein Persönliches Ideal bestimmt… Es handelt sich um eine … Idee …, die von innen her die Seele ergriffen hat, von Innen heraus wächst, während sie von außen genährt … wird. … Die Formulierung meines Persönlichen Ideals muss kurz sein.“
Schönstatt Spiritualität für den Alltag – die Schöpfung gehört dazu!
Welchen Gedanken hat Gott in mich hineingelegt? Und vielleicht ist es gut, mich erst einmal darüber zu freuen, dass es diesen einen Gedanken nur für mich gibt, dass ich für Gott so wertvoll bin, dass er für mich diesen einen Gedanken hat. Und dann erst in einem zweiten Schritt zu ertasten, was das dann für mein Leben heißt, im Großen, meiner Lebensplanung und im Kleinen, in den alltäglichen Handlungen.
Wo berührt mich gerade ein Thema, für das ich mich einsetzen will – nicht weil ich es muss, sondern weil ich es will, aus mir selber heraus. In der gläubigen Deutung, dass das eine Stimme des Hl. Geistes ist. Was heißt das auf lange Sicht? Für meine gesamte Lebensplanung? Welche Stichworte fallen mir dazu ein? Es gibt Menschen, für die ist diese ihre Aufgabe in dieser Welt mit dem Thema Bewahrung der Schöpfung verbunden, mit Klimaschutz, mit Klimagerechtigkeit. Entweder im Beruf – der dann im wahrsten Sinne eine Berufung für sie ist.
Oder die sich ehrenamtlich engagieren – sei es in der örtlichen Naturschutzgruppe und samstags in der Fußgängerzone einen Infostand betreiben oder im Naturschutzgebiet Müll einsammeln oder…
Für die eine Person heißt das als Formulierung von ihrem Persönlichen Ideal: „dass das Leben aufbricht“, für eine andere: „Den Duft von Gerechtigkeit verströmen“ und wieder für eine andere: „als deine Hand mit für das Klima anpacken“. Selbstverständlich kann das PI auch in eine andere Richtung gehen. Auch dann darf ich mich auf meine eigene Art für den Klimaschutz engagieren.
Wie bewege ich mich – und die Bewegung?
Und für mich? Welche Werte sind mir wichtig? Vielleicht spricht mich nachhaltiges Handeln momentan nicht an, da andere Themen dran sind – ok. Und vielleicht spricht mich gerade die Schönheit der Natur in der jeweiligen Jahreszeit an und mich drängt es, etwas für diese Natur zu tun. Was könnte die Umsetzung meines PIs konkret im Alltag für mich heißen? Etwas Kleines wie auf meinem Balkon einen Blumenkasten mit torffreier Erde und einheimischen Samen zu befüllen… Etwas Großes wie einen Studiengang Nachhaltige Energiewirtschaft wählen… Etwas Regelmäßiges wie zwei Mal die Woche auf tierische Produkte zu verzichten und pflanzliche Produkte genießen, oder drei Mal, oder…
Und wenn mir das nicht immer leicht fällt, darf ich darauf vertrauen, dass Gott mir auch die Kraft für die Verwirklichung meines PIs schenkt.
Wo gibt es einen konkreten Punkt, den ich im Alltag umsetzen möchte, der etwas mit diesem, meinen Persönlichem Ideal, dem Lieblingsgedanken Gottes von mir, zu tun hat? Einen konkreten Punkt, der ein Gewinn für mein Leben und für die Schöpfung
wäre? Notiere beides. Was setze ich davon in den nächsten 72 Stunden um? Und vielleicht reizt mich auch der Gedanke, was denn ein Beitrag Schönstatts für die Schöpfung sein kann, wo gibt es etwas, dass wir in Schönstatt konkret anpacken werden?
Gebet
Herr, ich danke dir für alle Gedanken und
Geistesblitze, die gerade aufgetaucht sind.
Herr, du kennst mich, meine Kräfte und meine
Energie, die mal weniger und mal mehr in mir ist.
Herr, schenke mir immer genug innere und äußere
Kraftquellen. So dass das, was in mir lebendig ist,
aufsprudeln und wirken kann – für deine
Schöpfung.
Herr, schenke mir Menschen, die diesen Weg einer
kreativen Schöpfungsspiritualität mitgehen.
Herr, sei du mit uns und unserem Engagement.
Amen