Bernhard Lippold, Grafik: Katharina Schardt
Marius Müller-Westernhagen hat ein Lied mit dem Titel „Zeitgeist“ gemacht. Er beschreibt die Situation vieler Menschen heute, die mitten in den gegenwärtigen Wirrungen und Widersprüchen auf eine „Wende“, auf ein wie auch immer geartetes „gutes Ende“ hoffen. Im Text ist die Not spürbar, dass Gebet und Vertrauen nichts ausrichten und der Lächerlichkeit preisgegeben sind. All die großartigen Ideen und die vielen Aufbrüche können nur Versuche bleiben, die Welt zu erhalten und sie eventuell ein wenig besser zu machen. Und neben allem stehen die Weisheiten der Alten irgendwie unverknüpfbar und beziehungslos zu den Heutigen und der Welt, wie sie jetzt ist.
Trotzdem bleibt die Hoffnung, dass heute etwas aus diesem Zeitgeist weiterführen kann:
Vielleicht finde ich zu dieser Wende, vielleicht geht es gut für uns aus, vielleicht finden wir zu einem guten Weg.
Schönstatt 1×1
Der Gründer der Schönstattbewegung, Pater Josef Kentenich, hat den Stimmen der Zeit, besondere Beachtung geschenkt. Schon ganz am Anfang seiner Tätigkeit war er überzeugt, dass Gott zu uns spricht durch das, was zu einer jeweiligen Zeit und in einer jeweiligen Gesellschaft im Trend liegt. Gott spricht auch durch die politischen Verhältnisse, durch Schicksale, durch Lebenslagen und soziale Umfelder. Kentenichs These: Die Stimme der Zeit ist die Stimme Gottes.
Daraus zog Pater Josef Kentenich den Schluss, dass man aus Zeitverständnis und Zeitdeutung den Willen Gottes ertasten kann. Kentenich entdeckt das Charisma, das in der Fähigkeit zur Deutung der Zeitenstimmen liegt. Und er entwickelt aus dieser Erkenntnis einen weiteren Grundsatz: Wer permanent danach sucht, was Gott von uns will, wird sich immer neu verändern und lebendig als Gemeinschaft eine neue Gestalt suchen. So wird Gott in dieser Welt lesbar.
Bei der Deutung der Zeitenstimmen kann man nicht dabei stehen bleiben, die einzelnen Phänomene faktisch zu deuten und zu bewerten. Es geht vielmehr um die Wahrnehmung, welche Einwirkung dieser Gegebenheiten auf den Menschen haben, um seine Betroffenheit und darum, welche Gestaltungsmöglichkeiten ihm die Verhältnisse lassen. Aus dieser Perspektive kann sich die Deutung der Zeitenstimmen profilieren.
Schönstatt Spiritualität für den Alltag – Die Schöpfung gehört dazu!
Wer die Zeitenstimmen deuten will, der muss im Heute verwurzelt sein. Das können wir bei Jesus sehen (Mt 16,2-3; Lk 12,54-56), in den Konzilstexten (Lumen Gentium) und bei Pater Josef Kentenich lesen. Mit einer solchen Herangehensweise darf ich zur Kenntnis nehmen, welche Auswirkungen die ökologische Situation und die Bestrebungen nachhaltiger Veränderungen auf mich und auf andere haben. Seit den 60er Jahren werden die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Umweltzerstörung mehr und mehr aufgeklärt und dokumentiert. Inzwischen kann der Einfluss unserer Aktivitäten auf die Veränderungen des Klimas auch mit Hilfe von Computermodellen verstanden werden. Auch Abschätzungen der zu erwartenden Kipppunkte in Klima- und Ökosystem sind vorhanden.
So werden auch die Stimmen der Zeit zu Fragen des Klimas und der Ökologie immer deutlicher und strukturierter. Stichworte sind: UN-Klimakonferenzen, staatliche Programme zu Energieeffizienz stehen neben den von vielen getragenen Initiativen wie Fridays For Future, Plastikvermeidung, Müllvermeidung und vieles mehr. Auch Schönstatt For Future ist so eine Initiative. Für jeden Einzelnen sind diese Stimmen schon seit Jahrzehnten vernehmbar. Es geht darum, herauszuhören, was aufbauend und gestaltgebend werden kann.
Wir dürfen und müssen uns trauen, die Ergebnisse der Klimaforschung als Zeiten-, und somit Gottesstimme zu hören.
Wenn ich das anerkenne, muss ich entscheiden, an welcher Stelle ich Verantwortung übernehmen will. Wenn ich so weit gekommen bin, kann ich Veränderungen an meinen Gewohnheiten und an meinem Lebensstil vornehmen, damit ich ins Handeln komme.
Papst Franziskus sagt zu den menschlichen Wurzeln der ökologischen Krise in seinem Schreiben „Laudato si“: „Es wird uns nicht nützen, die Symptome zu beschreiben, wenn wir nicht die menschliche Wurzel der ökologischen Krise erkennen. Es gibt ein Verständnis des menschlichen Lebens und Handelns, das fehlgeleitet ist und der Wirklichkeit widerspricht bis zu dem Punkt, ihr zu schaden. Warum sollen wir nicht innehalten, um darüber nachzudenken?“ [101]
Damit ich die Stimmen der Zeit wirklich wahrnehmen und deuten kann, muss ich mich aus meiner Komfortzone hinaus bewegen. Jesus empfiehlt, zu denen, die in meiner Wahrnehmung am Rand stehen, zu gehen und mit ihnen zu sprechen. Dort, außerhalb meiner Blase, wird vieles, auch die zerstörerischen Folgen einer falschen Klimapolitik, ganz anders wahrgenommen und artikuliert.
In den verschiedenen Lebensräumen werde ich andere Überzeugungen diskutieren und aushalten lernen, mit meinen eigenen kleinen Verhaltensänderungen werben können, neue Initiativen kennen lernen und mich selbst immer genauer als Teil der Natur erleben und begreifen lernen.
Gebet
Lass uns den Schrei der Erde und der Armen
hören und darauf antworten. Mögen die
heutigen Leiden Geburtswehen sein,
Geburtswehen einer geschwisterlichen und
nachhaltigeren Welt. Darum bitten wir unter
dem liebenden Blick Mariens, der Hilfe der
Christen, durch Christus, unsern Herrn.
Amen